Review: DEAD ZONE - Ich sehe was, was du nicht siehst



Fakten:
Dead Zone (The Dead Zone)
CA, USA, 1983. Regie: David Cronenberg. Buch: Jeffrey Boam, Stephen King (Vorlage). Mit: Christopher Walken, Brooke Adams, Tom Skerritt, Martin Sheen, Herbert Lom, Anthony Zerbe, Colleen Dewhurst, Nicholas Campbell, Jackie Burroughs, Sean Sullivan u.a. Länge: 103 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.


Story:
Johnny Smith steht kurz vor der Hochzeit mit seiner Verlobten Sarah, als ein Autounfall alles zerstört. Er erwacht in einer Klinik und muss zu seinem Erschrecken feststellen, dass er fünf Jahre im Koma lag. Sarah ist inzwischen mit einem Anderen verheiratet, er selbst hat eine schmerzhafte Reha vor sich. Doch irgendwas ist im Koma mit ihm passiert: Durch Körperkontakt mit Menschen kann er kurz in deren Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft blicken. Zunächst versucht Johnny, diese verstörende Fähigkeit auszublenden. Als ihn der Sheriff um Hilfe bei der Suche nach einem Serienmörder bittet, setzt er sie erstmals gezielt ein. Vielleicht ist es doch eine Gabe, ein Geschenk? Das Aufeinandertreffen mit einem aufstrebenden Politiker offenbart ihm, zu was er in der Lage ist…und was der Preis dafür ist.







Meinung:
„Sie sind der Teufel. Sie kommen aus der Hölle!“

Ein in der Vita von David Cronenberg oft weniger erwähntes oder zumindest nicht genügend gewürdigtes Werk und gleichzeitig eine der besten Stephen-King-Verfilmungen, denen pauschal gerne eine eher minderwertige Qualität vorgeworfen wird. Bei genauerem Blick auf die filmischen Umsetzungen eines der erfolgreichsten Schriftsteller der Moderne lässt sich allerdings feststellen, dass dies ein eher vorschnelles Urteil ist. Tatsächlich gab es einige gelungene King-Adaptionen, deutlich mehr als von anderen Kollegen, die lange nicht so kritisch betrachtet werden. Warum selten der Name „Dead Zone“ in diesem Zusammenhang fällt erstaunt angesichts der vorliegenden Qualität umso mehr.


Ihm wurde ein neues Leben geschenkt, doch will er es haben?
Auf den ersten Blick mag es nicht nach einem typischen Cronenberg erscheinen, zumindest zu der Zeit. Eine explizite Darstellung von Gewalt findet nicht statt, das gibt die Vorlage auch gar nicht her. Cronenberg, diesmal nicht am Skript beteiligt, hält sich eng an King’s Buch, die unumgänglichen Kürzungen für eine gängige Spielfilmlänge (vor den Zeiten von Überlänge als Status Quo) mal ausgenommen. Die wesentlichen, essenziellen Punkte der Handlung fallen nicht der Schere zum Opfer, in knapp über 100 Minuten wird der Kern exakt erfasst und entsprechend umgesetzt. Wie schon das Buch ist „Dead Zone“ nicht in das Horror-Genre einzuordnen, tangiert es nur durch seine übernatürlichen Bausteine. King wie Cronenberg geht es um ein menschliches Drama, den inneren Zwist um Fluch oder Segen, Gabe oder Bürde, Bestimmung, Schicksal und Opferbereitschaft. Wenn du alles verloren hast und im Tausch nur eins bekommen hast, wie setzt du es ein und bist du bereit, in Schlüsselmomenten die richtige Entscheidung zu treffen, auch wenn es deine letzte sein wird? Thematisch nicht nur hochinteressant, moralisch nicht übersäuert, sondern von existenzieller Spannweite. Den Tod überwunden um als verstörte Seele weiter zu leben oder aus dem Verlust einen höheren Sinn zu ziehen? Ein Einzelner steht nicht zwingend unter dem Kollektiv, muss sich und seine persönliche Zukunft nicht aufgeben, doch wenn er sich der Konsequenzen bewusst ist, die freie Wahl hat und mit reinem Gewissen geht, was könnte würdevoller, richtiger und humaner sein?


Eine Geschichte und ein Film über die individuelle Selbstfindung und die bittere Tragödie, die sie beinhaltet. Von Cronenberg nur oberflächlich kühl, tatsächlich sehr sensibel und dadurch extrem beklemmend, weniger durch Momente, deutlicher durch sein Ganzes packend und spannend vorgetragen. Mit einem Christopher Walken in absoluter Höchstform brillant  - im wahrsten Sinne des Wortes - verkörpert, was bei ihm auf dem Niveau mehr als treffend ist. Jeder Blick, jede mimische Regung lässt tiefer in ihn blicken als tausend Worte, Psychisches physisch dargestellt, sein Körpersprache trägt den Umfang seiner mentalen Zwickmühle, dem Gewahrwerden dieser und seinen letztendlichen Umgang damit offen zur Schau. King, Cronenberg und Walken, ein ganz exquisiter Dreier, auch nach über dreißig Jahren noch.

8 von 10 gekochten Goldfischen

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