Review: GODZILLA – Ein Onkel im Gummianzug erobert die Welt



Fakten:
Godzilla (Gojira)
Japan. 1954. Regie und Buch: Ishirō Honda. Mit: Akira Takarada, Momoko Kōchi, Akihiko Hirata, Takashi Shimura, Sachio Sakai, Haruo Nakajima, Katsumi Tetsuka u.a. Länge: 81 Minuten (dt. Fassung), 96 Minuten (Originalfassung). FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Vor der Küste einer japanischen Insel passieren merkwürdige Dinge. So erleiden gleich mehrere Schiffe Schiffbruch. Nur wenige der Passagiere überleben und die, die es geschafft haben, wissen selbst nicht so genau, was eigentlich passiert ist. Der Übeltäter dieser Vorkommnisse zeigt sich aber bald. Eine gigantische Echse erhebt sich aus dem Ozean und verwüstet die Insel.





Meinung:
Eine fiktive Katastrophe kann ihre volle Wirkung genau dann entfalten, wenn die Bilder auf der Leinwand den Zuschauer mit realen Geschehnissen konfrontieren, wenn er sich zurück an ein auf Tatsachen beruhendes Schreckensszenario erinnert fühlt. Die japanische Regielegende Ishiro Honda w ar sich schon 1954 über die Effektivität der Kombination aus Irrealität und Wirklichkeit vollkommen im Klaren, nachdem er sich vom der US-amerikanischen Produktion „Panik in New York“ (die mit liebevollen Stop-Motion-Sequenzen aus der Schmiede des unvergleichlichen Ray Harryhausen aufwartet) mehr als begeistert zeigte. Angst und Schrecken sollte Einzug in die japanische Kultur erhalten, eine Bestie aus dem Boden gestampft werden, die sich über die Millionenmetropole Tokyo hermacht: Godzilla, der hermaphroditische König der Kaijus, wird geboren. Heutzutage ist Godzilla schon nicht mehr wegzudenken aus unserer Popkultur, hat längst seinen Platz als Plüschtier und Action-Figur in sämtlichen Kinderzimmern erhalten und schmückt Bettwäsche, Brotboxen, Geschirr, Besteck und Gläser in aller Welt.


Godzilla war schon damals ein Freund der Destruktion
Nachdem es Gareth Edward („Monsters“) nun im Jahre 2014 zum zweiten Mal geschafft hat, Godzilla als US-amerikanische Produktion, nach Roland Emmerichs Debakel von 1998, in die Kinos zu bringen, darf die obligatorische Rückbesinnung auf den Ursprung des inzwischen (inklu sive der beiden Versionen aus den Vereinigten Staaten) 30-teiligen Franchise natürlich nicht fehlen. Die Reise führt also zurück in das Jahr 1954, zurück in ein Land, wie so viele, gezeichnet von den fat alen Folgen des zweiten Weltkrieges. Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagaski leiteten das Ende des Pazifikkrieges ein und forderte nach und nach den Tod von über 200.000 Japanern, die Aufnahmen des Atompilzes, der zerstörten Städte, der entstellten, verstrahlten und verbrannten Leiber: Alles war noch so greifbar, so unüberwindbar in den Herzen der Bevölkerung verankert, dass man durchaus annehmen könnte, „Godzilla“ würde einem exploitativen Grundgedanken folgen, der die Traumata Japans zu Gunsten produktiver Monster-Action instrumentalisiert. Aber falsch gedacht. „Godzilla“ hingegen schreitet viel tiefer.


Hochspannung: Überlebt Godzilla dieses Szenario?
Das Drehbuch von Ishiro Honda ist in seinem politischen Faktor nicht im Ansatz an der puren Ausschlachtung jener historischen Wunden interessiert, „Godzilla“ erweist sich vielmehr als reflektierter Bewältigunsversuch, aus dem Honda ein ergreifendes Menetekel gegen die Atomkraft formt und als paraboliche Abhandlung über die menschliche Selbstüberschätzung abschließt: Das allegorische Urvieh Godzilla nämlich wird nur euer kleinstes Problem gewesen sein, wenn ihr die klaren Grenzen im Umgang mit atomarer Kräfte nicht einhaltet. Über diesen Subtext, dessen mahnender Fingerzeig Honda hier mal durchaus subtil, mal plakativ prononciert, darf sich „Godzilla“ natürlich auch als trashige Monster-Action geben. Wenn sich Haruo Nakajima in seinen ikonischen Gummianzug gezwängt hat und dann durch die detailliert kreierten Modellnachbauten Tokyos trampelt, dann ist dieses Suitmotion-Verfahren schon ungemein charmant und lässt das prähistorische Monster, um das sich Mythen und Legenden ranken, wohldosiert durch das metaphorische Szenario wüten. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen erfüllen da gleich einen dualen Zweck, kaschieren sie doch die technischen Defizite und verlegen diese ins Ungewisse und wissen zudem als rekonstruierte, entfremdete Archivaufnahmen des Krieges zu funktionieren.


Da ist es dann auch nicht mehr so wichtig, dass die Figuren allesamt nur Skizzen sind, die die kollektive Beklemmung und Verzweiflung aus verschiedenen Blickwinkeln verknüpfen: Die der unerwünschten Liebe, die der Politik und die der Forschung. Und doch stehen die menschlichen Schicksale im Vordergrund, sind immer nachvollziehbar geschildert und vor allem weit entfernt vom Dampframmentun späterer Militärkarikaturen innerhalb der Reihe. Die unterschwellige Bedrohung von „Godzilla“, die dann immer wieder – für ihre Verhältnisse - explodiert, weiß noch heute zu packen, ist noch angenehm seriös erzählt und hat nichts mit der kindlichen Zerstörungswut späterer „Godzilla“-Heuler zu tun. Und das, obwohl hier ein Oxygen-Vernichter alle Sorgen bereinigen soll. „Godzilla“ ist, gerade aufgrund seines Inhalts, seiner Message, nach wie vor ein wichtiges Stück internationaler Kinogeschichte.


7 von 10 überdimensionalen Fußabdrücken


von souli

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