Review: LABOR DAY – Ausbruch aus der Gefangenschaft des Lebens



Fakten:
Labor Day
USA. 2013. Regie: Jason Reitman. Buch: Jason Reitman, Joyce Maynard (Vorlage). Mit: Kate Winslet, Josh Brolin, Gattlin Griffith, Clark Gregg, Tobey Maguire, James Van Der Beek, Brooke Smith, Maika Monroe. Länge: 111 Minuten. FSK: Ab 6 Jahren freigegeben. Ab 18. September 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Der 13-jährige Henry (Gattlin Griffith) lebt mit seiner depressiven Mutter Adele (Kate Winslet) alleine und zurückgezogen in einem heruntergekommenen Haus, der Vater hat eine neue Familie. Beim monatlichen Einkauf vor dem Labor Day-Wochenende tritt plötzlich der blutende Frank (Josh Brolin) an Henry und seine Mutter heran. Der ist ein entflohener Sträfling und zwingt die beiden, ihn für ein paar Stunden bei sich ausruhen zu lassen. Aus anfänglicher Furcht wird aber bald Zuneigung und alle drei blühen auf, wie sie es nicht (mehr) erhofft haben. Doch die Probleme lassen natürlich nicht lange auf sich warten.




Meinung:
Bisher ist Jason Reitman vor allem als Experte für Komödien aufgefallen. Komödien, die zwar teilweise sehr turbulent sind, aber auch stets einen ernsten Touch besaßen. „Juno“ mit Ellen Page war so ein Beispiel. Oder „Young Adult“ mit Charlize Theron. Mit „Labor Day“, der Verfilmung des Romans „Der Duft des Sommers“ von Joyce Maynard, beschreitet Reitman aber andere Wege. Gut, es geht wieder irgendwie um Beziehung und/oder Familie. Aber der komische Teil, der doch die Hauptsache seiner Filme bisher war, der fehlt hier komplett.


Mit Unsicherheit im Supermarkt fängt alles an...
Stattdessen ist der Film ein Drama geworden, ein Liebesdrama, um genau zu sein. Natürlich wird sich jetzt schon der ein oder andere wieder genervt wegdrehen, allerdings ist das absolut nicht nötig, denn, auch wenn der Film phasenweise ziemlich kitschig wirkt, so ist er doch sehr schön anzusehen. Und obwohl relativ wenig passiert, so erzeugt der Film eine außerordentliche Spannung, die beinahe zwei Stunden wie im Flug vorüber gehen lassen. Besonders eindrucksvoll sind die ruhigen, aber äußerst ausdrucksstarken Bilder, die Reitman mit seinem Kameramann Eric Steelberg einfängt. Sehr langsam, aber nie ermüdend, selten nichtssagend, aber stets sehr intensiv. Die Bilder nehmen einen gefangen, was auch an den warmen Farben liegt, die Reitman verwendet. Die Musik ist in ihrer Unauffälligkeit sehr auffällig und unterstreicht die ruhige Art des Films sehr schön.


Für die Hauptdarsteller ist der Film wie gemacht, um zu glänzen und alle drei schaffen das. Besonders Kate Winslet in der Rolle der depressiven Mutter Adele zeigt einmal mehr, warum sie zu den besten Charakterdarstellerinnen ihrer Generation zählt. Aber auch Josh Brolin als der aus dem Gefängnis ausgebrochene Frank steht ihr in nichts nach und schafft es, seine gefühlvolle Seite und viel Ruhe mit der Getriebenheit seines Charakters und der stetigen Furcht, entdeckt zu werden, zu verbinden. Newcomer Gatlin Griffith, der bereits im Eastwood-Film „Der fremde Sohn“ einen kleinen Auftritt hatte, ist bringt den Jungen, der von der Freude, eine neue Familie zu bekommen, und der Angst, plötzlich überflüssig zu sein, hin- und hergerissen ist, ebenfalls sehr schön auf die Leinwand.


Trotz ihrer Angst fühlt sich Adele aber zu Frank hingezogen
„Labor Day“ ist natürlich in erster Linie ein Liebesfilm, wie er im Buche steht. Alleinerziehende Mutter trifft Mann, der bei ihr einzieht. Nach anfänglichen Problemen verliebt sie sich in ihn, sie kommen zusammen. Aber es gibt Widerstände, die diese Beziehung von außen torpedieren. So weit, so gut. Auch ist die Geschichte ziemlich konstruiert, das Grundgerüst der Geschichte, in der der ausgebrochene Häftling Mutter und Sohn erst gefangen nimmt und dann, im wahrsten Sinne von heute auf morgen, zum neuen Ehemann, Liebhaber und Papa aufsteigt, ist so eigentlich kaum zu glauben. Und Kitsch, ja Kitsch ist stets greifbar. Warum also ist der Film dann doch sehenswert geworden? Klar, da sind die bereits angesprochenen tollen Darsteller. Und die angenehme, ruhige, sehr schöne Atmosphäre. Auch die Spannung, die durch die Frage aufkommt, wie es mit der neu zusammengefügten Familie endet, trägt dazu bei. Aus dem Off erzählt uns dazu der mittlerweile erwachsene Henry der Gegenwart (Tobey Maguire), wie sich diese Situation im Jahr 1987 abgespielt hat.


Nur kurze Zeit später wird Frank zum Ersatzpapa.
Eigentlich würde das ja schon genügen, aber da ist noch mehr. Eine unheimlich interessante Thematik, die die drei Hauptfiguren miteinander teilen. Alle drei sind Gefangene. Frank im wörtlichsten Sinne, denn er ist wegen Mordes zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden. Adele leidet an Depressionen (warum, das soll hier nicht verraten werden) und ist somit Gefangene ihres eigenen Geistes. Ihr Sohn Henry ist von der Vorstellung gefangen, ihr auch den Ehemann ersetzen zu müssen, was er aber, wie er mit seinen 13 Jahren noch nicht wusste, nicht in allen Aspekten schaffen kann. Diese drei Gefangenschaften nun werden durch das Zusammentreffen, durch das „Familie sein“ plötzlich gebrochen. Die Figuren erreichen eine neue, nie oder zumindest nicht mehr geahnte Freiheit, die ihr Leben für sie selbst wieder positiver erscheinen lässt. Familie, Vertrauen und Liebe als wunderbare Sache, die das Leben lebenswerter macht oder wenigstens machen kann. Dazu kommen Elemente einer Coming-of-Age-Geschichte dazu, die den in die Pubertät eintretenden Henry mit Sexualität konfrontiert aber auch mit der Angst, durch den neuen Mann in Adeles Leben plötzlich auf dem Abstellgleiß zu landen.


„Labor Day“ ist also mehr als ein einfacher, klischeebehafteter Liebesfilm. Er bringt trotz seiner recht unglaubhaften Geschichte und seiner ruhigen und teilweise sachlichen Art ein intensives und verständnisvolles Gefühl für seine Charaktere auf, er weiß mit tollen Darstellern aufzuwarten und er blickt über die Dimensionen eines einfachen Liebesfilms hinaus. Er bringt zusätzlich, zumindest in Ansätzen, die Probleme eines heranwachsenden Jungen auf den Punkt, der einerseits einen Vaterersatz bekommt, andererseits aber plötzlich seine Mutter mit ihm teilen muss. Er zeigt, dass auch nach massiven Schicksalsschlägen wieder Hoffnung, wieder Glück, dass wieder schönere Zeiten kommen können. Angenehm ruhig erzählt, teilweise sogar spannend ist „Labor Day“ ein sehr schöner Film geworden und Jason Reitman beweist, dass er nicht nur Tragikomödien kann.


7,5 von 10 Pfirsich-Pies mit Kruste

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