Review: SEIN LETZTES RENNEN – Das ganze Leben ist ein Marathon



Fakten:
Sein letztes Rennen
BRD. 2013.Regie: Kilian Riedhof. Buch: Marc Blöbaum, Kilian Riedhof. Mit: Dieter Hallervorden, Tatja Seibt, Katrin Saß, Heike Makatsch, Frederick Lau, Otto Mellies, Katharine Lorenz, Heinz W. Krückeberg, Reinhold Beckmann u.a. Länge: 114 Minuten. FSK: freigegeben ab 6 Jahren. Ab 28. März 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Auf Drängen seiner Tochter zieht Paul mit seiner Frau in ein Altenheim. Um dort nicht zu vegetieren beginnt er, der einst sogar bei den olympischen Spielen im Marathon antrat, wieder mit dem Lauftraining. Sein Ziel: den Berlin-Marathon zu meistern. Unterstützt wird er dabei von seiner Gattin, die für ihn ein straffes Trainingsprogramm auf die Beine stellt.





Meinung:
Ob durch das zwischen 1975 und 1980 im deutschen Fernsehen ausgestrahlte „Nonstop Nonsens“ oder durch die „Didi“-Reihe auf der großen Leinwand: Den Namen Dieter Hallervorden assoziiert man in erster Linie mit grenzenlosem Klamauk. Aber Hallervorden war schon in seiner komödiantischen Hochphase nicht nur die „Palim, Palim“-Spaßgranate, er konnte durchaus auch einen kontären Rollentypus bedienen, wie das Dessauer Multitalent beispielsweise in Tom Toelles Mediensatire „Das Millionenspiel“ von 1970 bewies, in dem Hallervorden als kaltblütiger Anführer der sogenannten Köhler-Bande Jagd auf freiwillige Kandidaten des Millionenspiels vor den sensationsgierigen Augen einer ganzen Nation machte. Nun nagt nicht nur am Menschen Hallervorden der Zahn der Zeit, auch sein renommierter Ruf wurde ein Stück weit in Mitleidenschaft gezogen und zwang ihn nicht nur mit Til Schweiger zu kollaborieren, um sein Gesicht dem deutschen Publikum mal wieder in das Gedächtnis zu rufen, der Wille, einen Imagewechsel im hohen Alter endlich unter Dach und Fach zu bringen war ebenso in „Das Mädchen und der Tod“ und „Das Kind“ fraglos zu erkennen. Und es ist ein Fakt: Dieter Hallervorden ist nicht nur der ulkige Kerl von nebenan, vielmehr hapert es an der Qualität der einzelnen Projekte.

 
Pauls Tochter ist wenig begeistert von Marathon-Idee
Dieser Qualität, dieser spezifischen Wertigkeit einer Produktion, die sich zum Ziel setzt, mehr zu erreichen, als nur das Einfachste, das Massenkompatibelste, läuft Dieter Hallervorden bis heute hinterher. Und passenderweise, jedoch gewiss nicht von dieser titelgebenden Endgültigkeit gezeichnet, lautet sein neuster Film auch „Sein letztes Rennen“, der – so möchte es die Synopsis andeuten – mit dem Alterungsprozess, den analogen Höhen und den Tiefen dieser körperlichen und psychischen Veränderungen, eines jeden Menschen etwas durchaus Elementares zu behandeln schien. Immerhin hat auch auf dem Regiestuhl ein gewisser Kilian Riedhof Platz genommen, der schon bei seinem allseits weitreichend honorierten Fernsehfilm „Homevideo“ die Aufmerksamkeit auf sich lenken konnte und fingerfertiges Talent im Umgang mit brisanten respektive relevanten Thematiken bewies. Gerade das Altwerden weckt im Menschen doch immer wieder eine Angst, der er sich nicht entziehen kann, der er sich in ihrer ganzen Massivität irgendwann stellen muss. Ein gelunger Film über diese Lebensphase ist nicht darauf erpicht, Schreckensverstellungen vom Zerfall des Seins zu zelebrieren, er vertuscht diesen aber auch zu keiner Sekunde, sondern gibt sich ihm offen hin, wie es Michael Haneke in seinem Opus Magnum „Liebe“ tat.

 
Der Marathon-Mann
Wer aber von „Sein letztes Rennen“ jenen gesunden Realismus im Umgang mit dem Sujet erwartet, der darf sich zu Recht mit ungläubigen Blicken abstrafen lassen. Kilian Riedhof und Marc Blöbaum versuchen, ein möglichst breites Publikum mit der Geschichte des ehemaligen Marathonläufers Paul Averhoff zu erreichen. Dabei fungiert Dieter Hallervorden als Klebstoff zwischen der Handlung und dem Publikum und offenbart eine Leistung, die in ihrer emotionalen Bandbreite schnell in einem Desaster hätte enden können, von Hallervorden und seiner prägnanten Physiognomie aber gekonnt gestemmt wird. Selten wirkt der stramm auf die 80 zugehende Schauspieler überfordert oder aufgesetzt in seiner Performance. Allgemein liegt es nicht an der namhaften Darstellerriege, die neben Hallervorden mit Heike Makatsch, Frederik Lau, Tatja Seibt und Katrin Sass gut bestückt ist, dass „Sein letztes Rennen“ derart hinter seinen hochgesteckten Erwartungen zurückbleibt. Es ist die Stereotypisierung der Figuren, deren Wesen bereits nach dem ersten Satz vollständig ausbuchstabiert sind. Das Führungspersonal innerhalb der Pflegeheimes, ob Heimleitung, Heiltherapeutin oder der Neurologe, stellt sich den Bewohnern natürlich konsequent in den Weg und diffamiert sie in ihrer Würde dahingehend, dass sie nicht mehr als volle, gestandene Persönlichkeiten akzeptiert werden.


Sein letztes Rennen“ jongliert mit stumpfen Vorurteilen, und während er sich in dieser Verteuflung selber doch ziemlich gut gefällt, wird der Zuschauer permanent und mit allen filmischen Mitteln zur Anteilnahme gezwungen: Seichtes Geklimper auf der Tonspur, repetitives Fokussieren von Hallervordens verheulten Kulleraugen und das ewige Suhlen in der trostlosen Verwaltung des Pflegeheimes: Jaja, der Mann, der hat es schon dolle schwer. Der Verlust der Selbstständigkeit, dieser kämpferische Optimismus, trotz der herben Schicksalsschläge, wird zwar angekratzt, aber nicht mit der nötigen, psychologischen Seriosität beleuchtet. Dafür gibt es einige Geronto-Gags und das Pochen auf die Durchhalteparole „Wer stehen bleibt, hat schon verloren“. Im durchweg moralinsauren und zuweilen lächerlich manipulativen „Sein letztes Rennen“ regieren die Rentnerkarikaturen, die sich in der oberflächlich kalibrierten Tristesse des Seniorenheimes gegen das Gefühl der Nutzlosigkeit einsetzen und durch Paul endlich wieder neuen Mut in ihrem Dasein finden können, bis natürlich auch das Fachpersonal bemerkt, was sich wirklich geziemt. In die Tiefe geht es dabei tragischerweise nicht, wer aber auf Friede, Freude, Eierkuchen ohne ingeniöse Ecken und Kanten steht, der ist hier an der richtigen Adresse.


4 von 10 Runden im Park


von souli

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