Review: THE WOLF OF WALL STREET - Eine spaßige Enttäuschung




Fakten:
The Wolf of Wall Street
USA. 2013.
Regie: Martin Scorsese. Buch: Terence Winter, Jordan Belfort (Vorlage). Mit: Leonardo DiCaprio, Jonah Hill, Kyle Chandler, Margot Robbie, Jon Bernthal, Matthew McConaughey, Rob Reiner, Christine Ebersole, Ethan Suplee, Jean Dujardin, Kenneth Choi, Jon Favreau, P.J. Byrne, Shea Whigham, Spike Jonze, Joanna Lumley, Aya Cash, Jake Hoffman, Edward Herrmann, Mackenzie Meehan, Barry Rothbart, Brian Sacca u.a. Länge: 179 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren.Ab 30. Mai 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Nach wahren Begebenheiten: Börsenmakler Jordan Belfort ist jung, voller Tatendrang und Mitte der 1980er Jahre, kurz vor seinem Einstieg ins Big Business eigentlich schon wieder weg vom Fenster. Der Black Monday, der große Börsencrash von 1987, macht ihn arbeitslos, doch davon lässt sich Belfort nicht abschrecken. Mit Hilfe seines Verkaufstalents, ungehemmten Eifer und illegalen Geschäften gelingt ihm der Aufstieg an die Spitze.





Meinung:
„The Wolf of Wall Street“ ist ein extrem zweischneidiges Schwert, zum Teil messerscharf und stumpf zugleich. Das hinterlässt einen merkwürdigen Beigeschmack. Drei Stunden können eine gefühlte Ewigkeit sein, doch wenn ein Regisseur sie nie als solche erscheinen lassen kann, dann Martin Scorsese. Es ist definitiv nicht Unterhaltungswert, an dem es seinem neuesten Werk mangelt. Eine Rekapitulation der Jahre der Gier, der Maßlosigkeit, vorgetragen als Real-Satire, als obszöne Groteske, die erschütternder Weise wohl nicht zu sehr die Fakten ad absurdum führt. Dekadenter Wahnsinn skrupelloser Anzug-Banditen in einer Seifenblase aus Nutten, Koks und Dollarscheinen.


"Ich bin Arschloch und ihr findet mich toll. Geil, oder?"
Scorseses neue/alte Allzweckwaffe Leonardo DiCaprio spielt entfesselt drauflos, energiegeladen und im angepassten Over-The-Top-Modus. In dem wohl ergiebigsten Film-Jahr seiner Karriere trägt er das Werk mühelos und zeigt hier ein ungewohnt komisches Talent. Ähnlich Scorsese, der lediglich bei „The King of Comedy“ und „Die Zeit nach Mitternacht“ sich diesem Gebiet annäherte. Eine Komödie ist „The Wolf of Wall Street“ letztendlich nicht, aber dicht dran. Er gibt dem (fast) ganz realen Irrsinn eine Bühne und übt offen Kritik an einer perversen Maschinerie, die vor einigen Jahren (mal wieder) in sich zusammenfiel und dennoch wieder aufersteht. Jedoch nicht mit klar erhobenen Zeigefinger. Er lässt das Szenario und seine Figuren für sich sprechen, ohne sie zwingend dämonisieren zu müssen. Das kann zu unangebrachten Sympathien führen, doch Scorsese überlässt es dem Zuschauer, das Gesamtbild zu bewerten. Das reicht auch vollkommen, viel zu klar sind die Rollen verteilt. Die Opfer werden nicht thematisiert, die Resultate dürften eh bekannt sein. Quasi konsequent aus „Täter-Perspektive“ präsentiert. Woran krankt es denn nun? Scorsese versteht sein Handwerk nach wie vor. Er entwickelt sich im hohen Alter logischerweise nicht weiter (von Stagnation zu sprechen wäre nicht angebracht), wohin auch? Von der rein technischen Inszenierung ist das gewohnt gekonnt, erzählerisch vergleichbar mit seinem Mafia-Epen „GoodFellas“ und „Casino“.


Belfort und sein Mentor reden über Geld und Onanie
Speziell zum Erstgenannten bestehen starke Parallelen, was sich leider als deutliche Schwäche herausstellt. Klar, auch die beiden „Vorbilder“ waren sich sehr ähnlich, entfalten dabei jedoch ihre individuellen Reize und hatten so viel dramatisch-wuchtige Sprengkraft, dass sie insgesamt jeder für sich ihre Klasse untermauerten. Das fehlt dem Schaf im Wolfspelz. Der Ablauf von „GoodFellas“ und „The Wolf of Wall Street“ ist fast identisch, natürlich auf eine andere Bühne projiziert. Aufstieg und Fall eines Durchstarters, der Traum von Geld und Drogen endet jäh und auf dem Weg dahin bietet dieser Film keinerlei Neuerungen. Fast fühlt man sich wie in einem Remake, selbst in Details. Scorsese kopiert sich selbst, erschafft dabei leider keine neuen Höhepunkte. Seinem Werk fehlt es bei all dem Spaß an Tiefe, an Individualität, bezogen auf das Skript. Am Ende wirkt es fast etwas banal, kann dies jedoch lange gut kaschieren. Dazu tragen neben dem bereits erwähnten DiCaprio die Darsteller ihren Teil bei, wenn auch nur zwei Namen noch zwingend erwähnt werden sollte. Matthew McConaughey in der Form seines Lebens (leider nur kurz dabei) und Jonah Hill, dem so eine Leistung nicht unbedingt zuzutrauen war. Der Rest bleibt eher im Hintergrund und erfüllt seinen Job, ohne besonders in irgendeine Richtung aufzufallen.


Des Weiteren punktet „The Wolf of Wall Street“ natürlich durch seinen galligen Humor, droht dabei jedoch manchmal leicht zu nerven. Die Überstrapazierung des F-Wortes und ähnlicher Kraftausdrücke dient natürlich als Mittel der Überspitzung, erfüllt einen nützlichen Zweck, schützt trotzdem nicht vor Abnutzungserscheinungen. Weniger ist manchmal mehr und an einigen Stellen hätte dem Wolf das sehr gut getan. Um wieder auf das einleitend angesprochene Problem einzugehen: „The Wolf of Wall Street“ ist hervorragend gespieltes, schön inszeniertes Unterhaltungskino, das allerdings nicht die Erwartungshaltung und Qualität erfüllen kann, die bei Scorsese durch seine extrem beständige Form schlicht vorausgesetzt wird. Macht Spaß und enttäuscht. Dennoch gut, mit deutlichen Abstrichen.


6,5 von 10 indischen Schlaftabletten


von JackoXL


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