Review: BEFORE MIDNIGHT - Akt Drei: Am Scheidepunkt der Liebe



Fakten:
Before Midnight
USA. 2013. Regie: Richard Linklater. Buch:
Richard Linklater, Julie Delpy, Ethan Hawke. Mit: Ethan Hawke, Julie Delpy, Seamus Davey-Fitzpatrick, Athina Rachel Tsangari, Ariane Labed, Manolis Goussias, Walter Lassally, Anouk Servera, Panos Koronis, Yannis Papadopoulos, Tety Kalafati, Enrico Focardi, Yota Argyropoulou, Jennifer Prior, Serafeim Radis, Charlotte Prior, Xenia Kalogeropoulou u.a. Länge: 108 Minuten. FSK: freigegeben ab 6 Jahren. Ab 30. Oktober 2013 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Zuerst trafen sie sich in Wien, einige Jahre später sahen sie sich in Prag wieder und nun sind Jesse und Celine ein verheiratetes Paar. Gemeinsam mit ihren Kindern verbringen sie einen Sommer in Griechenland. Dort stellen sich die beiden diversen Problemen und Fragen ihrer Beziehung.





Meinung:
In jeder Dekade seit 1994 gibt es ein filmisches Wiedersehen mit Jesse (Ethan Hawke) und Celine (Julie Delpy), und mit jedem neuen Aufeinandertreffen entwickelte sich dieses Gespann nicht nur in Echtzeit weiter, Richard Linklater und seine beiden Hauptakteure stellten ebenso unter Beweis, das eine Beziehung und die darin beteiligten Menschen nie exakt gleich bleiben und sich so über all die Jahre eben nicht nur um die eigene Achse drehten, sondern sich kontinuierlich weiterentwickeln, immer einen Schritt nach vorne wagen, um dadurch auch mal zu bemerken, dass sie dieser eben nicht wirklich weiter bringt, sondern zurück hinter die Startlinie manövriert. In „Before Midnight“ sind Jesse und Celine nun an dem Punkt angekommen, an dem sie nicht mehr nur über große Lebensziele und Träume ausgiebig schwadronieren und sich durch philosophische Exkursionen zaghaft in das Herz des anderen einschleichen, Jesse und Celine müssen vielmehr realisieren, dass die Früchte einer wahrhaftigen Liebe nicht nur süß auf der Zunge zergehen.


Celine und Jesse bei ihrem liebsten Hobby: reden
Und genau dieser schwierige Punkt war es, den man Jesse und Celine nach ihren beiden Auftritten in „Before Sunrise“ und „Before Sunset“ nie gewünscht hat, aber insgeheim doch erwartete, weil solche Probleme nun mal der Wirklichkeit entsprechen und eine reelle Gemeinschaft nicht nur aus sanften Annäherungen und umfangreiche Debatten über Gott und die Welt besteht; man muss folgerichtig aneinandergeraten und stellt dabei nicht nur einmal sein gemeinsames Dasein infrage: Gibt es wirklich eine Zukunft zu zweit? War jede Entscheidung wirklich förderlich oder entpuppt sich die Partnerschaft doch als zwischenmenschlicher Ballast? In einem Hotelzimmer sucht Linklater schließlich seinen eruptiven Klimax mit kathartischen Abstrahleffekten. Es kommt zum lautstarken Streit, Celine sucht einen Sinn, Jesse gesteht ihr immer wieder aufrichtig seine Liebe und Hingezogenheit, Celine bäumt sich in ihrer Wut immer weiter auf, der verbale Disput scheint zu eskalieren, doch Linklater verdeutlicht in dieser eine gefühlte Ewigkeit dauernden Szene etwas ganz Elementares. 



Denn, erinnern wir uns einmal an die Hotelszene in „Blue Valentine“, in der Michelle Williams und Ryan Gosling ein letztes Mal versuchten, die Flamme ihrer Liebe neu zu entfachen, aber kläglich scheiterten, etikettiert vorerst unangenehm erscheinende Situation in „Before Midnight“ nur, dass die Kommunikation zwischen Jesse und Celine noch lange nicht am Ende ist und dadurch der signifikante, essentielle Stützpfeiler einer jeden Liierung immer noch aufrecht steht. Und manchmal muss eben auch mal Dampf abgelassen werden, auch wenn dort vielleicht auf ungewollte Ausdrücke zurückgegriffen wird und dem anderen in ungeahnter Prägnanz an den Kopf knallen. Die wahre Stärke von Jesse und Celine waren schon immer ihre standhaften Dialoge, sie hatten sich immer etwas zu sagen, konnten aber auch genauso gut miteinander schweigen. Wenngleich „Before Midnight“ sich gelegentlich zu viel Mühe gibt, seine Charaktere in klare (Geschlechter-)Rollen zu unterteilen die elitäre Note ihrer Unterhaltungen gerne mal in den nichtssagenden Raum driften lassen.


Am Ende ist „Before Midnight“ dennoch eine mehr als sehenswerte Beziehungsstudie geworden - vor allem unter dem Gesichtspunkt der generalisierten Konzeption. Gewohnt dialoglastig wird in die Vollen gegangen und das von Ethan Hawke und Julie Delpy so erfrischend wie plastisch gespielt, dass das Interesse am Miteinander für den Zuschauer nie abflacht – Und da zeigt sich auch die große Qualität des Drehbuches, das nicht dem rein fiktiven Ausdruck folgt, sondern auch den selbstreflexiven Fundus an eigenen Erfahrungen koppelt und in das Geschehen involviert. Wichtig ist es dabei, dass sich „Before Midnight“ nicht zum Rosenkrieg transformiert und Liebe „tot reden“ möchte, er bleibt dem grundsätzlichen Optimismus treu, auch wenn es emotional nicht immer leicht und locker vonstattengeht. Liebe bedeutet auch Kompromisse einzugehen und es bedeutet auch, den eigenen Vorteil zu übergehen, um dadurch der Zweisamkeit einen ehrenhaften Dienst zu erweisen. Schlussendlich entscheidet die Zeit, genau wie bei dem symbolischen Sonnenuntergang, der die Sonne in einem Moment noch am Horizont schimmernd zeigt, um sie im nächsten gänzlich verschwinden zu lassen.


6,5 von 10 Endlosen Dialogen


von souli

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