Review: BULLHEAD - Belgiens Oscarkandidat 2012



 
Fakten:
Bullhead (Rundskop)
Belgien, 2011. Regie & Buch: Michael R. Roskam. Mit: Matthias Schoenaerts, Jeroen Perceval, Jeanne Dandoy, Barbara Sarafian, Sam Louwyck, David Murgia, Frank Lammers u.a. Länge: 124 Minuten. FSK: ab 16 Jahren freigegeben. Aud DVD erhältlich.


Story:
Dem limburger Viehzüchter Jackie wird ein zwielichtiger Deal mit einem berüchtigten Hormonhändler vorgeschlagen. Das man der Natur gelegentlich nachhelfen muss, hat Jackie von Kindesbeinen an gelernt. Nicht nur seine Rinder, auch er selbst ist mit Steroiden vollgepumpt. Bei den Verhandlungen trifft er ausgerechnet auf Diederik, einen alten Freund, zu dem er seit einem schicksalhaften Ereignis vor 20 Jahren keinen Kontakte mehr hatte. Nicht genug, dass Diederik in die Geschehnisse involviert war, die Jackies Leben auf dramatische Weise veränderten, er ist auch noch Polizeiinformant...



Meinung:
Mit seinem Debütfilm wurde Michael R. Roskam 2012 prompt für den Auslandsoscar nominiert, nicht unberechtigt. Für eine Erstlingswerk ist "Bullhead" tatsächlich sehr beachtlich geworden. Vor der Kulisse der flämischen Provinz spielt dieses düstere Krimidrama, das in erster Linie durch seine raue Intensität besticht. Roskam will keinen coolen Gangsterfilm machen, viel mehr geht es ihm um Authentizität. Was als Thriller beginnt, entwickelt sich zu einer bedrückenden Charakterstudie. 


Jackie: Hart, aber innerlich zerbrochen.
Ein wahrer Glücksgriff ist Roskam mit Hauptdarsteller Matthias Schoenaerts gelungen. Die Rollenanforderungen sind nicht einfach zu erfüllen. Die Figur erfordert physische und darstellerische Voraussetzungen, die Schoenaerts beeindruckend mitbringt. Ein echter Stiernacken, dessen aufgepumpter Körper tatsächlich erscheint, wie durch Steroide aufgebaut. Es scheint kaum vorstellbar, dass hierfür nur natürliches Wachstum und hartes Training verantwortlich ist. Gut, solche Menschen finden sich leicht, doch Schoenaerts bringt gleichzeitig eine fantastische Leistung, denn seine Rolle ist nicht einfach. Dem Zuschauer fällt es schwer, für diesen wütenden, unangenehmen Brocken Sympathie aufzubringen. Das ist auch nicht das Anliegen, es geht viel mehr um Empathie. Je mehr über Jackie in Erfahrung gebracht wird, umso nachvollzieh- und greifbarer wird er. Ohne ihn jemals zum Helden werden zu lassen, lässt sich Mitleid für ihn entwickeln. Schoenaerts spielt es punktgenau. Oft zurückhaltend, traurig und introvertiert, dann plötzlich aufbrausend und explosiv. Seine Wut und sein Schmerz sind jederzeit spürbar, hinter seine körperlichen Masse verbirgt sich eine gebrochene Seele.


Polizisten Eva (m.) ist immer bestens informiert.
"Bullhead" erzählt eine interessante und packende Geschichte, zudem mit dem filmisch selten genutzten Milieu des Hormonhandels. Leider scheint Roskam sich bei seinem ersten Spielfilm etwas zu viel vorgenommen zu haben. Manche Figuren werden nur knapp beleuchtet, Handlungsstränge verlaufen fast sinnlos ins Leere, beispielsweise die angerissene, homosexuelle Beziehung zwischen Diederik und einem der Polizisten. Für die Geschichte ist es vollkommen irrelevant, was damit bezweckt werden sollte, bleibt ein Rätsel. An diesen Stellen macht sich bemerkbar, dass Roskams Film sehr ambitioniert, aber nicht fehlerfrei ist.


Diese Schönheitsfehler lassen sich jedoch verzeihen, angesichts der zahlreichen Vorzüge. Eine bewegende Geschichte, handwerklich gekonnt umgesetzt, eine Hauptfigur, die nicht nur beeindruckend gespielt, sondern vor allem nicht zu schwarz oder zu weiß gezeichnet ist, ein Film, der sehr eigenständig und nicht austauschbar wirkt.
Stark mit kleinen Fehlern.

8 von 10 Hormon-Therapien

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