Review: LONDON BOULEVARD - Kein Platz für ehrliche Typen



Fakten:
London Boulevard
Großbritannien. 2010. Regie: William Monahan. Buch: William Monahan, Ken Bruen (Vorlage). Mit: Colin Farrell, Keira Knightley, Ray Winstone, David Thewlis, Anna Friel, Ben Chaplin, Eddie Marsan, Matt King, Sanjeev Bhaskar, Ophelia Lovibond u.a. Länge: 103 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren.


Story:

Nach drei Jahren Knast wird Gangster Mitch als geläuteter Mann entlassen. Doch sein Unterfangen eine ehrliche Haut zu bleiben ist nicht einfach. Zum einen braucht er dringend Geld, zum anderen versuchen ihn alte Freunde zurück in die Welt des Verbrechens zu locken. Als Mitch einen legalen Job als Bodyguard der gefeierten Schauspielerin Charlotte findet, scheint er sein Ziel erreicht zu haben, doch es kommt anders.





Meinung:

Für sein Drehbuch zu „Departed – Unter Feinden“ erhielt er 2006 einen Oscar. Wohl angespornt von dieser Belobigung inszenierte William Monahan den britischen Gangster-Thriller „London Boulevard“, der auf einen Roman von Ken Bruen basiert.



Gangsterboss Gant will Mitch in seinem Team, egal wie
Colin Farrell spielt Mitch, ein Profi-Gangster, der wie so viele frisch entlassene Knackis sich geschworen hat sauber zu bleiben und jeglicher Kriminalität abzuschwören. Selbstredend ist dieses Unterfangen zum Scheitern verurteilt. Dabei ist dieser Mitch ein besonnener Typus Mensch. Er kümmert sich um seinen so drogensüchtig wie undankbare kleine Schwester, unterhält eine Freundschaft zu einem Obdachlosen und geht auf Jobsuche. Die Figurenzeichnung von Mitch ist eine der ganz großen Stärken von „London Boulevard“. Dieser Mitch pendelt zwischen Mr. Nice Guy, fürsorglichen Freund und professionellen Gangster umher und seine Entscheidung sich nie wieder in kriminelle Machenschaften zu integrieren wirkt authentisch, genauso wie das Scheitern dieses schwierigen Unterfangens. Aber nicht alles wirkt authentisch in Williams Monahans Film. Immer wieder kreuzen äußerst dubiose, seltsame und wirre Charaktere den Weg von Mitch. Somit generiert „London Boulevard“ einen durchgehend mit dunklem Witz und Flair getränkte Geschichte, die außerdem eine Prise Melancholie und fremdartige, fast süß-saure Momente, die aber meist verdunsten bevor sie sich voll entfalten können, zu bieten hat.


„London Boulevard“ spielt in der Liga des britischen Gangsterfilms. Dabei gehört er eher zu den ruhigeren Vertretern. Der Film ist mehr ein „Layer Cake“ als ein „Snatch“, denn trotz viel unterkühlter Protzerei ist Monahan ehrlich am Schicksal von Mitch interessiert. Wenn Mitch aus seiner selbstauferlegten Illegalitäts-Abstinenz ausbricht, weil er keine andere Wahl hat, so versieht er dies mit einer gehörigen Dosis Bitterkeit. Nie wieder ein Gangster? Für Mitch ein geplatzter Lebenstraum, denn egal was er auch tut, in ihm steckt einfach ein geborener Krimineller. Eine Einsicht, der sich Mitch immer wieder versucht zu entziehen, bis ihn der gnadenlose und latent homoerotische Gangsterboss Gant (widerlich sehenswert: Ray Winstone) an seine Stärke erinnert. Die Flucht von Mitch, weg von seiner Vergangenheit, manifestiert sich durch seinen legalen Job als Bodyguard für die Schauspielerin Charlotte (nicht mehr als anwesend: Keira Knightley). Ohne es zu ahnen, haben die Beiden eine Gemeinsamkeit. Sie beide sind auf der Flucht, vor einem Leben, in dem sie viel erreicht haben, sich einen Ruf aufgebaut haben, welches sie nun aber nicht mehr loslässt. Die romantische Beziehung zwischen Mitch und Charlotte ist da nur konsequent, gehört aber ganz klar nicht zu den Highlights des Films. Zwei Seelenverwandte, die an den jeweils anderen Enden der Gesellschaft agieren, das ist nett gemeint, es fehlt dieser Konstellation jedoch an romantischer und zwischenmenschlicher Dynamik. Die Beziehung wirkt zu konvulsivisch. Da hilft auch ihr fürsorglicher bester Freund, der kettenrauchende Narzisst Jordan, gespielt von David Thewlis, der die Szenerie immer wieder etwas auflockert, recht wenig.


Jordan tut viel um seinen beste Freundin zu schützen
William Monahan hat mit seinem Regie-Debüt einen wirklich guten Gangster-Film vorgelegt. Manche Dialoge und Figuren wirken etwas zu verkrampft und nicht alle Dramatisierungen treffen voll ins Schwarze, dafür kann „London Boulevard“ in Sachen Witz punkten. Sein trockener, schwarzer Humor („Wenn Monica Belucci nicht wäre, wäre sie die meist vergewaltigte Frau im Film“) und sein schroffer, britischer Charme ergeben eine anziehende Mixtur. Colin Farrell als Mitch darf auch wieder voll überzeugen und verleiht seiner Figur trotz einer unsympathischen Vergangenheit ein stilsicheres Auftreten, welches durch seinen verzweifelten Hundeblick, ausgelöst durch sein Scheitern, immer wieder gebrochen wird. Im Grunde ist „London Boulevard“ ein Film, in dem ein Mann gegen seine Vergangenheit kämpft, dargestellt von schlechten Typen in meist gutsitzenden Anzügen. William Monahan unterlegt dies alles mit einem gelungenen Soundtrack. Komponist Sergio Pizzorno, Mitglied der Rockband Kasabian, lieferte Musik ab, die oft an einen Italo-Western erinnert. Das passt. Mitch ist im Grunde auch nicht mehr als ein Cowboy. Die verschmutzten Straßen Londons sind die staubige Wüstenstadt und ähnlich konsequent wie in den brutalen, pessimistischen, europäischen Western endet „London Boulevard“ dann auch. Hier gibt es keinen Platz für Helden. Mitch weiß das, wird diese Lektion aber dennoch erneut lernen müssen – auf die harte Tour.

8 von 10


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