Review: INTO THE WILD - Der Traum von Freiheit als Flucht vor Verantwortung



Fakten:
Into the Wild
USA. 2007. Regie: Sean Penn. Buch: Sean Penn, Jon Krakauer (Vorlage). Mit: Emile Hirsch, William Hurt, Marcia Gay Harden, Jena Malone, Hal Holbrook, Vince Vaughn, Cathrine Keener, Brian Dierker, Kristen Stewart, Jim Gallien, Zach Galifianakis, Thure Lindhardt, Bryce Walters, R.D. Call, Haley Ramm. Länge: 147 Minuten. FSK: Ab 12 Jahren freigegeben.


Story:
Nach einer wahren Begebenheit: Der 22-Jährige Christopher McCandless hat gerade das Collage erfolgreich abgeschlossen. Zum Leidwesen seiner wohlhabenden Eltern will Christopher aber nicht auf die Uni, sondern ohne Geld umherreisen. Nachdem er sich seiner Kreditkarte und seiner Ersparnisse entledigt hat, beginnt er seine Reise quer durch die USA.




Meinung:
Einfach weg. Alles hinter sich lassen. Aus den Konventionen ausbrechen und sich selbst etwas beweisen, etwas erleben, nur für sich. Jeder sollte diesen Wunsch kennen. In einigen keimt dieser Gedanke kurz auf, wird aber unbedacht fort getragen, andere wiederum machen ihren Wunsch war. Sie trampen mit Rucksack durch die Welt. Sie werden Backpacker genannt. Die meisten erfüllen sich diesen Wunsch um danach in ihr normales, regulierten Leben zurückkehren, aber als Christopher McCandless Anfang der 1990er Jahre aufbrach, sollte dies nicht nur seine größte Reise sein, sondern auch seine letzte. Diesem Christopher McCandless setzte Darsteller und Regisseur Sean Penn mit seiner vierten Regiearbeit „Into the Wild“ ein filmisches Denkmal.



Christophers Reise führt ihn auch in kältere Regionen
Penn inszeniert „Into the Wild“ anfänglich wie eine von vielen Geschichten, in der ein Querdenker seinen Traum durchsetzen kann. Christopher widersetzt sich seinen wohlhabenden Eltern. Er spendet sein Geld einer wohltätigen Organisation, zerschneidet seine Kreditkarte und geht zunächst im Auto, später per Fuß und als Tramp seiner Reise nach. Sein geografisches Ziel: Alaska. Sein eigentliches Ziel: Freiheit. Regisseur Penn lässt keinen Zweifel daran, dass Christopher sich gefangen fühlte, bei seinen Eltern, die ihren Kindern gerne teure Geschenke machen. Dass sie ihren Sohn lieben, auch daran hat Penn keine Zweifel. Letztlich bleiben die Eltern (gespielt von den Oscar-Preisträgern William Hurt und Marcia Gay Harden) nur Randerscheinungen. Penn braucht sie um Christopher als Gefangenen einer elitären Welt hinzustellen und er braucht sie später um die Emotionalität des Films zu steigern. Nicht sonderlich elegant, aber funktional. Ähnlich wie der Soundtrack von „Pearl Jam“-Frontmann Eddie Vedder, der die herausragenden Naturaufnahmen, die mal karg, mal gewaltig, mal imposant ausfallen gut unterstreicht, auch wenn der Film bei der musikalischen Untermalung oftmals etwas zu übertrieben, bzw. zu gewollt kunstvoll agiert.



Christopher zelebriert seine Freiheit
Aus seiner Reise lernt Christopher, der übrigens überzeugend von Emile Hirsh verkörpert wird, noch andere Charaktere kennen, wobei die Bezeichnung Charaktere doch übertrieben ist. „Into the Wild“ bleibt stetig auf Ausreißer Christopher konzentriert. Die menschlichen Begegnungen die er erlebt besitzen durchweg interessante und nachdenkliche Momente und sie werfen nebenbei einen guten, facettenreichen Blick auf das Amerika von heute, eine durchweg eindringliche Note besitzen sie meisten aber nicht. Wie auch die Eltern bleiben die Nebenfiguren im Randbereich. Sie tauchen auf, geben erheiterndes oder belehrendes von sich und verschwinden wieder. Hängen bleibt davon zu wenig. „Into the Wild“ flüchtet sich vor Menschlichkeit und, dies ist interessant, wirft so die Frage in den Raum, ob Christopher McCandless dies nicht auch tat. Vielleicht bestand sein Traum nicht nur darin frei zu sein, sondern auch darin keine Verantwortung tragen zu müssen? Und wenn, dann nur für sich selbst. Der Film beantwortet diese Frage nicht. Der Zuschauer muss sich selbst ein Bild machen, eine passende Antwort finden. Doch gerade gegen Ende wird es immer deutlicher, dass der Traum von Freiheit etwas von einer verzweifelten Flucht hat. Beharrlich macht McCandless weiter. Am Ende ist er in Alaska. Er geht sammeln und jagen. Er begegnet Bären und der unberührten Natur, doch er begegnet auch seinen Grenzen und am Ende dem Tod.
„Into the Wild“ wird von vielen als der Aussteiger-Film gehandelt, der Film der Backpacker und Freiheitsliebhaber, aber der Film ist keine schick geschmückte Einladung zum großen Abenteuer. Er endet bitter, voller Trauer und obwohl Christopher McCandless seine Freiheit fand, tat er damit auch den Menschen weh, die ihn liebten, die sich um ihn sorgten. Ob er nun ein Held der Freiheit oder letztlich ein freiheitsliebender Egoist war, darf jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden und dies ist die größte Stärke von „Into the Wild“. Ein Film, der seinen Zuschauern eine gewisse Freiheit lässt.

6,5 von 10

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